Zweimal am Tag sind die meisten Menschen auf dem Weg zwischen Arbeit und zuhause. Und in bestimmten Fällen sind sie versichert, sollte dabei etwas passieren. Von einem Wegeunfall spricht man, wenn Du Dich sich auf dem Hin- oder Rückweg zur und von der Arbeit befindest und dabei einen Unfall hast. Der Arbeitsweg beginnt, sobald Du die letzte Tür des Wohnhauses verlassen hast. Im Hausflur bist Du noch nicht versichert, wenn Du beispelsweise im Treppenhaus stürzt. Der Arbeitsweg endet mit dem Erreichen des Firmengeländes.
TIPP: Die Versicherung besteht nicht in jedem Fall und ist an bestimmte Verhaltensregeln gebunden. Es passieren die absurdesten Unfälle, wie unsere Beispiele und Gerichtsurteile dazu zeigen. Arbeitsunfall oder nicht? Wegeunfall oder nicht? Nur bei einem Wegeunfall hast Du Anspruch auf Leistungen aus der gestezlichen Unfallversicherung, für Freizeitunfälle leistet sie nicht. Was Du beachten und wissen musst, erfährst Du jetzt hier.
Wege-/Arbeitsunfälle: Was leistet die gesetzliche Unfallversicherung?
Wer bei der Arbeit oder auf dem Weg dahin verunglückt und sich verletzt, hat Anspruch auf medizinische Versorgung, Reha-Leistungen oder in härteren Fällen sogar auf eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung. Jede Person, die abhängig beschäftigt ist, studiert, zur Schule geht oder ehrenamtlich tätigt ist, ist über die "Gesetzliche" automatisch versichert.
URTEILE ZU WEGEUNFÄLLEN
1. Miez, miez: Wo ist die Katze?
Nach der Arbeit kommt ein Mann nach Hause und sucht seine Katze. Auf dem nassen Rasen vor seinem Haus rutscht er aus. Er stürzt und verletzt sich an der Schulter.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Katzensuche ist Privatsache und deshalb nicht gesetzlich versichert (Aktenzeichen S 13 U 243/16).
2. Beamten-Arbeitsunfall. Eingeschlafen und vom Stuhl gefallen
Ein Beamter verklagt die gesetztliche Unfallversicherung. Er sei während der Dienstzeit eingeschlafen und vom Stuhl gefallen. Daher auch seine gebrochene Nase.
Urteil: Arbeitsunfall! Die Begründung des Gerichts überrascht: Die gesetzliche Unfallversicherung muss zahlen, wenn ein Arbeitnehmer durch Überarbeitung einschläft und sich dabei verletzt (Quelle: Spiegel.de).
3. Bierwandern ist keine Arbeit
Die Kollegen einer Anwaltskanzlei nehmen nach Feierabend an einer Bierwanderung des örtlichen Sportvereins teil. Eine Kollegin stützt und zieht sich eine Verletzung am Unterarm zu.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Die Bierwanderung ist keine Veranstaltung des Arbeitgebers gewesen. Das hessische Landessozialgericht gebründet das damit, die Bierwanderung habe nicht dazu gedient, die „Betriebsverbundenheit zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern zu fördern“ (Aktenzeichen: L 9 U 205/16).
4. Der Weg zum Briefkasten endet mit Unfall
Eine Arbeitnehmerin ist auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Unterwegs stoppt sie, um einen Brief einzuwerfen. Eine Frau ist auf dem Heimweg von der Arbeit. Um einen privaten Brief in einen Briefkasten einzuwerfen, steigt sie aus dem Auto aus. Siue stürzt, das Auto rollt über ihren Fuß und verletzt ihn schwer.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Durch das Einwerfen eines privaten Briefs habe die Frau ihren Arbeitsweg unterbrochen. Deshalb gelte der gesetzliche Unfallschutz nicht (Aktenzeichen B 2 U 31/17 R).
5. Telefonieren auf der Skipiste
Ein Versicherungsmitarbeiter nimmt den Anruf eines Kunden auf der Skipiste entgegen. Er hat ein in den Skihelm integriertes Headset. Damit kann er auch beim skifahren telefonieren. Zur Positionierung der Sprecheinrichtung nimmt er sich selbst kurz die Sicht weg und stürzt schwer.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Der gesetzliche Unfallschutz greift nicht, wenn man gleichzeitig beruflichen und privaten Tätigkeiten nachgeht. In diesem Fall wurde ein Kundentelefonat während des privaten skifahrens entgegengenommen. Landessozialgericht München (Aktenzeichen: L 17 U 409/14).
6. Dienstreise mit nächtlichem Sturz
Ein Ingenieur auf Dienstreise muss nachts zur Toilette. Schon beim Aufstehen bleibt er am Bett hängen und verletzt sich dabei an den Füßen.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Als Begründung führte das Gericht an, zwischen Toilettengang der und der versicherten Tätigkeit als Ingenieur bestehe kein Zusammenhang (Aktenzeichen: S 31 U 427/14).
7. Unterschätztes Risiko Home-Office
Ein Mitarbeiter hat ein HomeOffice im Dachgeschoß. Er bekommt Durst und geht die Treppe zur Küche herunter, holt sich Wasser. Er stürzt schwer.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Das Bundessozialgericht urteilt, der Arbeitgeber könne nicht für die Risiken in der privaten Wohnung des Arbeitnehmers verantwortlich gemacht werden (Aktenzeichen B 2 U 5/15 R).
8. Hund als Unfallursache
Ein Versicherungsmitarbeiter verabschiedet sich wie jeden Morgen von seinem Hund und möchte das Haus verlassen. Auf Pfiff kommt der Hund sofort, stößt aber ungestüm sein Herrchen um. Der Mann zieht sich eine Knieverletzung zu.
Urteil: Arbeitsunfall! Der Versicherungsmitarbeiterbefand sich auf dem Weg zur Arbeit, urteilten die Richter. Die Verabschiedung vom Hund sei als "geringfügige Unterbrechung" anzusehen. (Aktenzeichen: L 6 U 12/12).
9. Vorsicht auf Wegen zu fremden Kantinen
Eine Lehrerin benutzt in der Mittagspause die Kantine der daneben gelegenen Bank, weil die Schule keine eigene Cafeteria hat. Auf dem Rückweg stürzt sie im Treppenhaus der Bank und zieht sich eine erhebliche Knieverletzung zu.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Es besteht zwar gesetzlicher Versicherungsschutz für Wege zu einer fremden Kantine. Die Kantine selbst und das Treppenhaus der Bank sind hiervon ausgenommen, urteilte das Gericht (Aktenzeichen: L 8 U 1506/13).
10. Arbeitsunfall in der Kur?
Bei seinem Sonntagsspaziergang während der Kur wird ein Mann auf einem Zebrastreifen von einem Auto erfasst.
Urteil: Arbeitsunfall! Der Mann befand sich in Kur und trainierte fleissig seine Lauffähigkeiten durch spazierengehen. Das Sozialgericht Düsseldorf begründete einen „inneren Zusammenhang zwischen der Kur und dem Spaziergang“ und wertete das als Arbeitsunfall (Aktenzeichen: S 6 U 545/14).
11. Chef anrufen? Versichert. Und das Gespräch mit der Ehefrau?
Arbeiter des Lagers möchte seine Frau anrufen und geht wegen des besseren Empfangs vor die Halle an die Laderampe. Er verdreht sich nach dem Telefonat das Knie und zieht sich einen Kreuzbandriss zu, weil er an der Rampe hängen geblieben ist.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Privat ist privat, befand das hessische Landessozialgericht. Telefonate mit der Ehefrau sind Privatsache. Jegliche Unfallfolgen sind damit nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt (Aktenzeichen: L 3 U 33/13).
12. Studenten-Party und Arbeitsunfall
Studenten veranstalten an der Mainzer Uni eine Helloween-Party. Einer der Gäste nahm sich ohne zu fragen Bier aus dem Kühlschrank. Es kam zu einem Kampf. Die Veranstalter schlichteten, verletzten sich aber an der Hand schwer.
Urteil: Kein Fall für die studentische Unfallversicherung! Bei der Studenten-Party an Halloween handelte es sich nicht um Veranstaltung der Uni. Damit besteht kein Versicherungsschutz der studentischen Unfallversicherung, so das Sozialgericht Mainz (Urteil v. 18. Juni 2018; AZ S 14 U 45/17).
13. Ein Sturz ins Hundemaul
Ein Reifenhändler nimmt ab und zu seinen Hund mit in die Werkstatt. Heute hat er ihn mitgenommen. Er stolpert und im Fallen, stösst er seine rechte Hand in das Hundemaul. Der Hund beisst instinktiv zu. Der Reifenhändler muss längere Zeit in Behandlung. Er ist freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert und möchte den Sturz und den Biss als Arbeitsunfall anerkannt bekommen.
Urteil: Kein Arbeitsunfall! Das Landessozialgericht Baden-Württemberg urteilt: würde der Sturz auf ein betriebliches Risiko zurückzuführen, würde die gesetzliche Unfallversicherung zahlen. Aber Unfallursache sei der Hund. Dieser gehört zur Privatsphäre des Geschädigten und damit nicht versichert. (Aktenzeichen: L 6 U 3979/18).